Medea im Schauspielhaus Düsseldorf

Liebe Leser,

Medea
Foto: Sebastian Hoppe

im letzten Jahr war ich aus beruflichen Gründen leider nicht in der Lage, oft ins Theater zu gehen. Und wenn, dann fehlte mir im Anschluss die Zeit auch darüber zu berichten. Das soll sich dieses Jahr wieder ändern. Zwar ist bereits März, aber ich fange lieber spät damit an, als gar nicht. Zu meinem Glück habe ich Freunde, die beim Thema Theater immer an mich denke. So auch vergangene Woche, als der Regisseur Roger Vontobel zur 2. Hauptprobe seiner am 17. März Premiere feiernden Medea geladen hatte. Es sollte unter anderem der Einlass (bzw. das, was währenddessen auf der Bühne passieren sollte), geprobt werden. Dazu waren natürlich möglichst viele Zuschauer notwendig. Über eine Freundin, deren „Schwiegertochter“ gerade ein Praktikum am Schauspielhaus absolviert, erreichte mich diese Einladung. Mehr als gerne kam ich ihr nach.

Da das Schauspielhaus sich gerade im Umbau befindet und vorerst nicht bespielt werden kann, finden die Aufführungen der aktuellen Spielzeit in verschiedenen Spielstätten innerhalb Düsseldorfs durchgeführt. Unter anderem in einem Theaterzelt auf der Kö oder eben im Central am Hauptbahnhof, wo sich das junge Schauspiel, verschiedene Lager und Probebühnen befinden. Tatsächlich machte die Große Bühne 2, die als Aufführungsort diente, einen eher provisorischen Eindruck. Aber spätestens mit dem Musical Dome in Köln haben wir gelernt, dass solche Provisorien durchaus erfolgreich sein können. Bei Medea wurde dieser Eindruck noch verstärkt, indem es eine wirre Ecke für einen Musiker gab, vor dem man den Chor sowie die Amme und die Erzieherin platziert hatte. Als Sichtschutz? Man weiß es nicht… Minimalismus wurde auf jeden Fall groß geschrieben in dieser Produktion. So bestand das Bühnenbild von Muriel Gerstner lediglich aus einem schlichten, weißen Haus mit vorgelagerter Terrasse, auf dem sich ein Großteil der Tragödie abspielte. Ich gebe zu, dass ich zu diesem Zeitpunkt dezent skeptisch wurde, was die Produktion angeht. Alles machte auf mich einen unfertigen Eindruck. Und das zwei Tage vor der Premiere. Aber ich lebe nach dem Grundsatz „don’t judge a book by it’s cover“, also abwarten und sehen was passiert.

Medea
Foto: Sebsatian Hoppe

Stimmgewaltig startete Jana Schulz das Stück mit ihrem Wehklagen und jagte mir direkt einen Schauer über den Rücken. Cool, dachte ich. Wenn Medea so los legt, kann man sich auf etwas Großes freuen. Der Chor setzte ein und die Geschehnisse auf der Bühne nahmen ihren Lauf. Sie beschrieben Medeas Leid, beleuchteten die Hintergründe und leiteten in das Stück ein, bis Medea ihr Haus verließ und auf Kreon, König von Korinth (gespielt von Claudia Hübbecker) traf. Und da nahm die Tragödie ihren Lauf. Ganz klassisch spielten die beiden in erster Linie zum Publikum. Interagiert wurde trotz der Intensität des Dialoges wenig. So etwas muss man mögen. Ich kann dieser Form des Spielens leider nichts abgewinnen, aber das ist persönliche Präferenz. Ich habe anschließend mit einer Freundin darüber gesprochen, die meinte, es würde sie absolut nicht stören, wenn nur zum Publikum gespielt wird. Jana Schulz machte ihre Sache dabei auch verdammt gut. Auch wenn ich ihre Körperhaltung und die extrem „abgeranzte“ Aufmachung der Medea irgendwie unpassend fand. Ihre beinahe spastischen Zuckungen und Würgreize wirkten auf mich beinahe Obszön. Das hatte für mich wenig mit der innerlich zerrissenen, aber dennoch starken Halbgöttin zu tun, die ich aus früher gesehenen Inszenierungen der griechischen Tragödie kenne und schätze. Dennoch haben ihre Mimik und der Stimmeinsatz mich wirklich überzeugt. Sie brilliert und geht vollkommen in der Interpretation dieser Rolle auf.

Hingegen wirkte Claudia Hübbecker etwas steif in ihrem zu groß aussehenden goldenen Anzug mit der selbst gebastelten Krone aus Pappe auf dem Kopf. Mitgerissen hat mich ihre Performance leider nicht. Wobei ich mir bisher noch nicht sicher bin, ob das nicht auch an der generellen Regie des Stückes lag, die nicht so wirkte, als erlaube sie große Gesten und dramatische Momente. Erbaulich war hingegen der Auftritt von Torben Kessler, der als Medeas umtriebiger und opportunistischer Ehemann Jason für das ganze Elend verantwortlich war. Intensiv in der Intonierung seiner Worte und passend in Mimik und Gestik war es wirklich eine Freude seinen Auftritt zu beobachten. Man konnte regelrecht Mitleid mit ihm empfinden, wie er versuchte der Leidenden die Situation zu erklären. Besonders im Finale überzeugten Medea und Jason noch einmal von ihrer spielerischen Qualität.

Medea
Foto: Sebastian Hoppe
Medea
Foto: Sebsatian Hoppe

Und am Ende? Sprachlosigkeit. Es gab viele Momente, in denen ich mich gefragt habe, was uns der Künstler (in diesem Falle der Regisseur) damit gerade sagen möchte. Viele Wiederholungen von Textzeilen, Kostüme die keine wirkliche Richtung hatten und Grundloses ausziehen der Hauptdarstellerin, zum Beispiel. Diesen „Trend“ habe ich noch nie verstanden und hatte eigentlich auch gedacht, dass er bereits vorbei ist. Dann hat mir allerdings jemand scherzhaft erklärt, man dürfe in Düsseldorf nicht aufführen, wenn nicht mindestens eine Person nackt ist. Klang plausibel, machte die Sache aber irgendwie auch nicht besser. Ein anderer Besucher sagte beinahe schockiert zu seinen Begleitern „Das war… fulminant.“ Nun ja, das war es wohl. Vor allem war es allerdings eines: Geschmacksache.

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