Liebe Leser,
Shakespeare hat ein umfassendes und sehr beeindruckendes Werk geschaffen. Darunter die allseits bekannten Klassiker wie Romeo und Julia oder Hamlet, von denen vermutlich jeder schon einmal etwas gehört hat. Allerdings waren es nicht nur Dramen, Romanzen und Tragödien, die uns der mysteriöse Brite hinterlassen hat. Nein, es gibt auch eine Reihe von Komödien, mit denen er sein Publikum zu erheitern suchte. Allerdings habe ich das Gefühl, das jene Stücke es selten bis gar nicht in den Englischunterricht schaffen. Umso erstaunter war ich, als der Saal des Bochumer Schauspielhauses am vergangenen Donnerstag durch Oberstufenschüler gut besucht war. Noch erstaunter war ich, als während der Pause einer dieser Schüler hinter mir sagen „Wenn ich auch nur ein Wort verstanden hätte.“ Au waia. Aber dazu später mehr.

In „The Taming of the Shrew“, das uns durch die American Drama Group präsentiert wurde, geht es um viele Dinge. Widerspenstige Weiber, draufgängerische Männer, die Liebe, Geld und die (heute zugegebenermaßen veraltete) Rolle der Frau. Die schöne Bianca, Tochter des Baptista Minola aus Padua, kann sich vor Verehrern kaum retten. Ihr Vater jedoch will ihre Hand niemandem geben, ehe nicht seine ältere Tochter Katherina vermählt ist. Leider ist Katherina das komplette Gegenteil von Bianca. Wild, laut, unhöflich und gerade aggressiv kommt sie daher. Keine guten Voraussetzungen um einen Ehemann zu finden. Das wissen auch Gremio und Hortensio, die beide ein Auge auf die Jüngere Minola geworfen haben und einen Packt eingehen um einen Gatten für Katherina zu finden. Glücklicherweise betritt der draufgängerische Petruchio die Bühne, ein alter Freund Hortensios, der sich rein zufällig zum Ziel gesetzt hat, reich zu heiraten. Ihm sind die Eigenschaften der Braut beinahe egal, solange die Mitgift stimmt. Der Widerspenstigen Zähmung nimmt also ihren Lauf.

Die American Drama Group hat sich ein wenig künstlerische Freiheit beim Rahmen der Komödie gelassen. Während im Original ein Trunkenbold nach einem Saufgelage in einem Schloss erwacht, wo ihm als übler Scherz aufgetischt wird, er wäre ein Lord der nach einer Geisteskrankheit endlich wieder zu sich gekommen sei, wurde das Publikum in Bochum schon vor Vorstellungsbeginn von einem lallenden Blondschopf im Backham Trikot begrüßt. Dieser schläft im Pub ein und wird im Traum ins Mittelalter und somit in die Geschichte gebracht. Während ich diese Einleitung gefeiert habe, waren die Mädels aus der Oberstufe dezent mit der Interaktion des Darstellers überfordert. Ob das an fehlendem Sprachverständnis oder allgemeiner Schüchternheit der Oberstufe lag, kann ich nicht sagen. Mir hat es gefallen. Da es keinen Vorhang gibt, wurden wir in das Stück gezogen, als der Trunkenbold Sly von den Reihen seinen Weg auf die Bühne fand. Diese war spärlich ausgestattet, was dem begrenzten Stauraum der Tourproduktion geschuldet war. Dafür haben die Darsteller um Regisseur Paul Stebbings ihre Elemente auf Rollen mit viel Liebe gestaltet und je nach Stellung und Dekoration einen modernen Pub, eine Kirche oder ein Herrenhaus entstehen lassen.

Das spärliche Bühnenbild wurde jedoch durch die schauspielerische Leistung und das komödiantische Talent der Darsteller allemal wieder wett gemacht. Sie übernahmen im Verlauf des Stückes diverse Rollen, wodurch aus der schönen Bianca (Rihan McLean) schnell mal ein tumber Diener und aus Baptista Minola eine schroffe Witwe wurde. Herrlich! Zwischenzeitlich rutschte die Darstellung zwar in den Klamauk ab, beispielweise als Petruchio auf einem Pferd daher geritten kam, das aus einem Kopf und einem Schweif bestand, den der Schauspieler in den Händen hielt. Oder als der Diener Grumio an eine Haustür klopfen sollte, aus einem Missverständnis heraus seinen Herren schlug und sich eine mehrere Minuten andauernde, überzogene Schlägerei entwickelte. Alles in allem wurde mein Humor allerdings genau getroffen. Das lag nicht zuletzt an Dan Wilder, der sich in seiner Rolle als Sly / Petruchio ausgesprochen gut gefiel und sein Ego einfach feierte. Durch witzige Mimik und geschmeidige Gestik hat er mich auf jeden fall in seinen Bann gezogen (dass er sein Shirt ausgezogen und sich absolut sehen lassen konnte, hat damit natürlich gar nichts zu tun. Ich bin da ausgesprochen objektiv…). Miriam Swainsbury bildete als kratzbürstige Katherina wirklich ein perfektes Gegenstück. Ihre Körpersprache war der Knaller und auch ihre Intonierung war on point. Es war mir eine helle Freude, den beiden bei ihrem „Tanz“ um der Widerspenstigen Zähmung zuzusehen. Zusätzlich haben die supporting actors haben genau das wunderbar getan: Dan und Miriam unterstützt. Ihr Timing war großartig, ihre Szenen gut gespielt und witzig gestaltet. Die Interaktion zwischen den Darstellern war durchweg harmonisch. Ich habe Tränen gelacht über Andrew Goddard als Hortensio und auch über Will Frazer der seinen Drahtseilakt zwischen dem tollpatschigen Grumio und dem galanten Lucentio wirklich gut gemeistert hat.
Ich bin wirklich froh, dieses Stück gesehen zu haben und freue mich jetzt schon auf den nächsten Besuch der American Drama Group in der Nähe. Der einzige Nachteil am Besuch morgens um 10:00 war tatsächlich das Publikum. Ich habe mich in meiner vernünftigen Jeans und dem hübschen Shirt neben den Jogginghosen und Basecap tragenden Jugendlichen echt overdressed gefühlt. Neben dem „Wenn ich auch nur ein Wort verstanden hätte“ Zitat, war der größte Kopfschüttelmoment als nach der Pause ein junger Mann aus dem Publikum direkt angesprochen wurde und einfach nur ein großes Fragezeichen auf der Stirn hatte. Schade eigentlich, das hätte witzig werden können. Das war allerdings nur eine Randnotitz. Die Performance war großartig, charmant, witzig, durchdacht und natürlich in wundervollem Englisch gehalten. Ein sehr empfehlenswertes Hightlight!
Nächste Woche habe ich einen Konzertbericht für euch. Ganz neues Metier also. Bis dahin wünsche ich euch eine zauberhafte Woche.
Auri der Theatergeist