Liebe Leser,
atemberaubend, aufwühlend, spannend und erstaunlicherweise überhaupt nicht tränenreich. Das sind nur einige der Worte, mit denen sich das Konzert zu den 15. jährlichen What’s on Stage Awards beschreiben lässt. Es handelt sich hierbei um einen großen englischen Theaterpreis, der ausschließlich durch das Publikum vergeben wird. Und das meine ich wörtlich. Die Theatergänger der ganzen Welt haben zunächst die Möglichkeit, in verschiedenen Kategorien ihre Favoriten zu benennen. Die fünf am häufigsten genannten Namen pro Kategorie werden anschließend für die Awards nominiert. Nun geht es in die heiße Phase und es kann durch das Publikum abgestimmt werden, wer schlussendlich den Preis erhalten soll.
In meinen Augen ist das ein tolles Konzept. Denn so toll und wunderbar die Menschen auf und hinter der Bühne auch sein mögen. Ohne das Publikum, das Abend für Abend in die Säle strömt und sich die Arbeit der Schauspieler, Regisseure und Co. ansieht, nützt das alles nichts. Das haben auch die Gewinner der vielen schönen Awards erkannt und sich auf viele verschiedene Arten beim Publikum bedankt.

Foto: Peter Gibbons
Tom Hiddleston hat es dabei wohl am schönsten ausgedrückt. Nicht als bester Schauspieler, sondern für Coriolanus durfte er den Best Play Revival Award entgegen nehmen. „Shakespeare’s history wasn’t very kind to people, but I feel that WOS voters had been very kind to me.“ Hach, Mr. Hiddleston, gerne doch! In seiner kurzen Rede, die er zusammen mit Josie Rourke, des verdienten Gewinnerstückes, hielt, bedankte er sich darüber hinaus bei Hadley Fraser „for punching me so hard and kissing me so gently“. Ein kollektives „aaaaaaaaw!“ ging durch die Reihen der Zuschauer und Fans. David Tennant, der den Award als Best Actor in a Play für seine Rolle als Richard II erhielt und ihn seinem Kollegen somit vor der Nase weg geschnappt hat, bedankte sich zunächst bei seiner Frau Georgia. Diese habe ihm maßgeblich bei der Pflege seiner für die Rolle notwendigen Extensions geholfen. Anschließend hielt er eine kurze aber flammende Rede für die Kunst und endete mit Worten, die wahrer und wichtiger nicht sein könnten: „money spent on the arts is not a subsidy but an investment.“ Genau so ist es!

Foto: Dan Wooller
Besonderen Charme und Witz bewiesen allerdings auch die beiden wirklich großartigen Moderatoren der WOS Awards. Mel Giedroyc, eine unglaublich witzige Fernsehmoderatorin, deren Wurzeln in der Stand Up Comedy liegen, brillierte mit gutem Timing und frechen Sprüchen. An ihrer Seite glänzte Steve Frust, der kontinuierlich einwarf, demnächst Arbeitslos zu werden, sich ärgerte, dass er für seine Rolle in Made in Dagenham nicht als Best Supporting Actor nominiert wurde und sich dem unvergleichlichen Sir Cameron Mackintosh angepriesen hat wie sauer Bier. Es war wundervoll mit anzusehen. Für den Lacher des Abends sorgte Mel allerdings gleich zu Beginn der Show, als Kwang-Ho Hong sich ausschweifend für seinen Award als Best Supporting Actor bedankte. Teil seiner Rede, war es, dass er hoffe im März wieder am West End zu sein. Mel Giedroyc beugte sich leicht vor und rief ihm zu, dass wir vermutlich alle im März noch hier sein werden, wenn er nicht langsam mal zum Punkt käme. Das Publikum honorierte diesen Spruch mit tosendem Gelächter und Beifall. Sein Award ist nur einer der insgesamt 9 WOS Awards, die Miss Saigon abgeräumt hat. Damit haben sie den bisherigen Rekordhalter Hairspray auf den zweiten Platz verwiesen.

Neben den Preisen und Dankesreden, die lediglich im Fall von Eva Noblezada, die den Award als Best Actress in a Musical erhielt, tränenreich ausfielen, gab es ein wunderbar buntes Rahmenprogramm. Mein persönliches Highlight war Berverly Knight’s stimmgewaltige Performance von „Colored Woman“ aus Memphis the Musical. Gänsehaut pur, kann ich euch nur sagen! Toll war auch der Auftritt Lauren Samuels‘, deren Dienstmädchenkleidung sich während des Songs „Impossible“ aus Cinderella in ein rauschend prächtiges Ballkleid verwandelte. Besonders schaurig-schön war auch die kurze Performance aus Sweeney Todd, herrlich gesungen und in schlichter, schwarzer Kleidung präsentiert. Ganz nach meinem Geschmack das ganze. Weniger gut gefallen hat mir der Ausschnitt aus In the Hights, „Carnaval de Barrio“. Das ganze Stück ist nicht wirklich etwas für mich und in meinen Augen war der Auftritt ungeordnet und stimmlich nicht so überzeugend wie anderes, was an diesem Abend gezeigt wurde. Aber das ist ja Gott sei Dank alles Geschmackssache. Immerhin haben auch viele der Zuschauer halb auf ihren Stühlen gestanden, als Sophie-Louise Dann das Stück „In an ideal World“ aus Made in Dagenham sang, das mich nicht einmal bei 30° im Schatten hinter dem Ofen hervor geholt hätte.

Tatsächlich war es dennoch viel zu schnell vorbei und die Awards viel zu schnell verliehen. Die 15th Annual What’s on Stage Awards waren wieder einmal ganz großes Theater, bei denen sich West End Stars und Sternchen die Klinke in die Hand gaben. Unter anderem auch the one and only Hadley Fraser, der für den Best Supporting Actor in a Play nominiert war (ging dann allerdings an Mark Gatiss, der ihn sich irgendwie natürlich auch verdient hat). Ich weiß nicht, ob ich das irgendwo schon einmal erwähnt habe, aber ich vergöttere diesen talentierten Sänger einfach! Ihr könnt euch nicht vorstellen, wie schwer es mir gefallen ist, cool zu bleiben, als das Foto mit ihm entstand.
Damit schließe ich dann auch den Bericht über die WOS Awards und freue mich jetzt schon auf nächstes Jahr! Zum Abschluss lasse ich euch allerdings noch schnell zwei Links da:
1. Übersicht der diesjährigen WOS Awards Gewinner
2. Fotos, Fotos, Fotos des WOS Awards Konzerts
Viele Grüße,
Auri der Theatergeist
Schon was älter, dieser Artikel, aber ich kommentiere trotzdem mal, denn meine Meinung zu den WOS Awards ist (mittlerweile) eine etwas andere als deine. Ich fand es zuerst auch klasse, dass hier das Publikum bestimmen und letzten Endes Preise verleihen kann. Allerdings höre ich zunehmend auch viel Kritik daran – von Produktionen und Schauspielern, denen bspw. der „Promi-Faktor“ fehlt, und die deswegen gar nicht erst nominiert oder prämiert werden. Und Kritiker (also, professionelle Theater-Kritiker, meine ich jetzt) monieren das ebenfalls. Als wirklich objektive Bewertung kann man das, denke ich, nicht auffassen. Letztlich gewinnt dann häufig doch das Stück mit den bekanntesten Namen oder der Schauspieler, der am aktivsten auf Twitter ist und seine Fans und Follower mobilisiert. Ich habe mich bei den letzten Olivier Awards im April zwar auch gefragt, ob Harry Potter nun wirklich so gut ist, dass es sieben (acht? neun?) Preise am Stück abräumen konnte, aber bevorzuge die trotzdem vor den WOS Awards – auch, wenn ich trotzdem immer fleißig mit abstimme, aber dann halt nicht für Les Mis, Benedict Cumberbatch oder wer auch immer grade die Nase vorn hat 😉
In der Tat, mein letzter Besuch bei den WOS Awards ist jetzt schon zwei Jahre her (wie die Zeit verfliegt). Grundsätzlich hast du sicherlich Recht und die Nominierung ist tendenziell Main Stream, allerdings habe ich das Gefühl auch bei anderen Preisverleihungen immer wieder (aktuell wie auch von dir angesprochen Olivier, aber auch die Tonys). Ich fürchte, da tun sie sich alle nichts. Was ich an den WOS Awards nach wie vor gut finde, ist die Nähe zu den Fans. Auch wenn die generell in England viel größer ist, als in unserer spießigen Deutschen Theaterszene, finde ich die Möglichkeit zumindest ein bisschen „Mitbestimmungsrecht“ (oder zumindest das subjektive Gefühl eines solchen) zu haben, tatsächlich sehr gut. Nächstes Jahr werde ich auf jeden Fall auch wieder hinfahren und mir das Spektakel ansehen. Trotz des Main Stream Charakters (und weil Hadley Fraser mit Young Frankenstein vielleicht auch endlich mal wieder eine Chance auf eine Nominierung haben wird *hust*).