I don’t want realism. I want magic! – A Streetcar Named Desire

Liebe Leser,

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Eindrucksvolle Hauptdarsteller: Vanessa Kirby, Gillian Anderson und Ben Foster

wieder einmal komme ich vollkommen fasziniert aus dem Theater. Und wieder einmal ist der Grund dafür eine Londoner Produktion. Langsam wird es unglaubwürdig. Aber dieses Mal habe ich auch eine gute halbe Stunde nach Ende der Aufführung kein Wort gesprochen, weil ich noch so gefangen von der Intensität dieses Stückes war. Und das, obwohl viele 1000 Kilometer und eine Kinoleinwand zwischen mir und den Schauspielern lagen.

Das Stück, von dem ich gleich wieder beginnen werde zu schwärmen ist „A Streetcar Named Desire“. Blanche DuBois, eine abgehalfterte Südstaatenadlige taucht eines Nachts mit gepackten Koffern vor der Wohnung ihrer kleinen Schwester Stella auf. Diese lebt in einem Arbeiterviertel in New Orleans, gemeinsam mit ihrem Ehemann Stanley Kowalski in einer für Blanches Verhältnisse viel zu kleinen Wohnung. Natürlich kommt es zwischen der leicht blasierten Dame und dem Arbeiter mit polnischen Wurzeln nicht nur aufgrund der beengten Wohnverhältnisse zu Spannungen. Der Verlust ihres Familienstammsitzes und ihrer Arbeit zerrt an ihrem ohnehin schon schwachen Nervenkostüm und lässt die Charaktere in eine spannende und ergreifende Katastrophe zwischen Gewalt, Sex und dem Verlust der Realität versinken.

Magda Willi hat sich mit dem aufwendigen Bühnendesign wieder einmal selbst übertroffen. Sie stellte eine kleine Wohnung auf eine Drehbühne, die nicht während der Szenenwechsel, sondern während des kompletten Stückes langsam rotierte, sodass jeder Zuschauer die Möglichkeit hatte das Stück aus verschiedenen Perspektiven zu sehen. Eine großartige Idee! Spartanisch eingerichtet und doch mit viel Liebe zum Detail wurde uns die kleine Welt von Stelle und ihrem Ehemann präsentiert, deren Eheleben sich nur durch einen dünnen Vorhang von Blanche abtrennen lies. Wirklich gut wurden die Schauspieler auch durch das passende, teils dramatische Lichtdesign von John Clark unterstützt, der es mehr als verstanden hat, die einzelnen Szenen mit dezentem Nachdruck zu untermalen.

Gillian Anderson als Blanche DuBois Foto: Johan Persson
Gillian Anderson als Blanche DuBois
Foto: Johan Persson

Doch was mich am meisten beeindruckt hat, waren die Schauspieler. Gillian Anderson, vielen noch als toughe Rechtsmedizinerin aus Akte X bekannt, zeigte eindrucksvoll dass sie in Windeseile von himmelhochjauchzend zu zu Tode betrübt wechseln kann, ohne das es übertrieben gekünstelt wirkt. Nun gut, beinahe ALLES an Blanche DuBois war übertrieben gekünstelt, aber ihr wisst schon, was ich meine. Es war spannend zu sehen, wie ihre überschwängliche Fassade langsam aber sicher zu bröckeln begann und eine tragisch verängstigte Frau darunter zum Vorschein kam, die nicht mehr zwischen Realität und ihrer Einbildung unterscheiden kann. Der Finale Nervenzusammenbruch und die Tatsache, dass sie noch während des Schlussapplauses Sturzbäche geweint hat, haben mich sprachlos gemacht.

Vanessa Kirby als Stella Kowalski Foto: Johan Persson
Vanessa Kirby als Stella Kowalski
Foto: Johan Persson

Ihr zur Seite stand die ganze Zeit Vanessa Kirby als Stelle Kowalski.  Sie ist das Sinnbild einer hilfsbereiten Frohnatur, nimmt Blanche ohne zu zögern auf, obwohl sie weiß, dass ihre beengten Lebensverhältnisse wenig Platz für ihre divenhafte Schwester bieten. Im Laufe des Stückes nimmt sie Blanche immer wieder in Schutz, will nicht wahr haben, was offensichtlich ist.  Doch auch Stelle bleibt von der sich anbahnenden Katastrophe nicht verschont. Anfänglich frisch und lebensfroh entwickelt sie sich zu einer sexuell von ihrem Ehemann abhängigen und gebrochenen Frau. Sehr intensiv und beeindruckend ist der stetige Wechsel zwischen angezogen und abgestoßen sein von ihrem Leben und ihrem Mann. Sie eint, lacht, lebt und liebt nur für ihn und erkennt nicht, dass er schon lange nicht mehr der Mann ist, in den sie sich vermutlich einst verliebt hat.

Ben Foster als Stanley Kowalski Foto: Johan Persson
Ben Foster als Stanley Kowalski
Foto: Johan Persson

Letzterer wird eindrucksvoll von Ben Foster verkörpert. Der Amerikaner, der bereits in zahlreichen Hollywoodproduktionen mitgewirkt hat, hat eine beinahe greifbare Bühnenpräsenz. Seine Rolle ist cholerisch und keinesfalls zimperlich, auch wenn er Stella auf seine ganz eigene Art tatsächlich zu lieben scheint. Dennoch trägt er maßgeblich zur Verschlechterung des Zustandes von Blanche bei. Ben Foster beherrscht hierbei eine beeindruckende Vielfalt an Mimik und Gestik, die er wohl dosiert einsetzt und damit große Wirkung erzielt.

Wie immer hat es sich für mich mehr als gelohnt, eine NT Live Übertragung anzusehen. Auch wenn das Stück mit einer Laufzeit von 3h 45Min. wirklich eine Geduldsprobe war, kam keine Langeweile auf. Vielmehr war und bin ich noch immer ganz gefesselt.

Viele Grüße,
Auri der Theatergeist

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