Zum Raube lächeln, heißt den Dieb bestehlen – Otello

Liebe Leser,

diese Woche stand etwas ganz besonderes auf dem Programm. José Cura, weltbekannter und gefeierter Tenor, gab sich in Köln die Ehre und sang Verdis Otello (ja, diese Version schreibt sich tatsächlich ohne das H).

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José Cura Quelle: http://josecura.com/media

Die Inszenierung setzt hierbei an der Stelle an, an der der rachsüchtige Jago eine Intrige gegen Otello und dessen getreuen Freund Cassio spinnt, weil ersterer letzteren zum Hauptmann seiner Garde befördert hatte. Dabei nutzte er die tiefe Liebe des Otello zu seiner Desdemona und spielt gekonnt mit dessen Eifersucht. Es wird gezeigt, wie aus dem vernünftigen Herrscher ein irrationales Tier wird, dass durch Jagos Spiele mehr und mehr vergiftet wird. Blind vor Eifersucht sieht er die Wahrheit nicht mehr und zerstört alles, was ihm heilig war. Die Selbsterkenntnis kommt – wie in jeder guten Tragödie – zu spät. Eike Ecker hielt sich dabei sehr getreu an die Inszenierung von Johannes Schaaf. Lediglich der Austragungsort dieses klassischen Ereignisses ließ ein wenig zu wünschen übrig. Ich bin einfach kein Fan der Kölner Plastikoper. Wisst ihr, dieses hässliche blaue Ding am Hauptbahnhof. Die Akustik ist einfach katastrophal. Eigentlich nur als Provisorium gedacht ragt es seit Jahren gen Himmel und hat schon etliche Produktionen verunstaltet. Das tat dem Vergnügen jedoch keinen Abbruch. Wir saßen vorne im rechten Bereich und hatten dennoch einen wundervollen Blick auf die sehr schön gestaltete Bühne. Groß ohne opulent zu sein. Beinahe minimalistisch muteten die verschiedenen Ebenen und später die schlichten Säulen an, die zur Raumgestaltung genutzt wurden. Der Orchestergraben war gut gefüllt mit allerlei bekannten Größen und auch Will Humburg machte als Dirigent einen beeindruckenden Job. Am Ende der Vorstellung machte er den Eindruck als hätte er einen Marathon hinter sich gebracht. Am Ende seiner Kräfte, aber Glücklich. Kein Wunder, bei dem Ergebnis. Die Musik trug maßgeblich zum Hörgenuss bei.

Seit mehr als vier Wochen hatte ich meine Karte und habe tagelang nur auf diesen einen Augenblick gewartet. José Cura betrat die Bühne. Ein Schrank von einem Mann mit den breitesten Schultern und dem atemberaubendsten Resonanzkörper der Szene. Ja, ich gebe zu dass Tenöre normalerweise nicht zu meinen Lieblingssängern zählen. Mein Ohr hört am liebsten solide Baritone oder gar echte Bässe. Herr Cura schafft es jedoch regelmäßig für Gänsehaut bei mir zu sorgen. Vielleicht liegt es an der Klarheit seiner Stimme oder an der absoluten Treffsicherheit der Höhen, die ich bei so vielen anderen schmerzlich vermisse. Apropos vermissen. Der Bass-Baritone Samuel Yeoung, auf den ich mich auch sehr gefreut hatte, war an diesem Abend leider erkrankt. Seinen Part übernahm Lucio Gallo, den ich zwar stimmlich ausgezeichnet, physiognomisch aber vollkommen fehlbesetzt fand. Immerhin wird Jago als junger und charismatischer Mann von beschrieben. Zwei Attribute die nicht unbedingt auf Gallo zutreffen.

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Natalie Karl
Quelle: http://nataliekarl.com

Besonders beeindruckt war ich ebenfalls von Young Doo Park, der in der Rolle des Lodovico debutierte und brillierte. Und auch wenn es selbstverständlich ist, sei an dieser Stelle auch noch Nathalie Karl erwähnt, die eine sichere, charmante und absolut liebreizende Desdemona sang. Neben ihrem Otello wirkte sie zwar winzig und zerbrechlich, doch das trug der Rolle nur Rechnung. Trotz der oben bereits monierten schlechten Akustik transportierten alle Sänger ihre Stimmen sehr gut. In ihrem Duett Già nella notte densa aus dem ersten Akt konnte man die Liebe beinahe greifen. Es war ein Fest!

Was ich abschließend noch bemerkenswert fand, war die Bandbreite des Publikums. Von jungen Männern in zerrissenen Jeans (was in meinen Augen in der Oper und sei der Spielort auch noch so casual, nichts zu suchen hat) bis zu Damen in Abendkleidern war alles dabei. Natürlich gab es auch positive Überraschungen, beispielsweise einen 15-Jährigen in einem perfekt sitzenden Smoking. Das lässt hoffen.

In diesem Sinne wünsche ich euch einen angenehmen Start ins Wochenende.

Euer ergebener Theatergeist

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